June 2025

Chancen und Herausforderungen der Integration von medizinischen Wearable-Daten in die Patientenbetreuung

Medizinische Wearables: Chancen und Herausforderungen bei der Nutzung von Gesundheitsdaten zur besseren und individuelleren Patientenbetreuung.
Hannes Sommer
Founder & Managing Director Sinceritas Executive Search
Arzt hält Tablet mit holografischen medizinischen Daten wie Vitalzeichen, Organen und Gehirnaktivität – Symbol für vernetzte Patientenbetreuung durch Wearables.
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Tragbare elektronische Geräte (Wearable devices) sind beliebt. Smart und immer präsent beobachten Wearables die Gesundheitsdaten von mittlerweile mehr als 30% der deutschen Bevölkerung.

(Abb.1: Die Zukunft der Consumer Technology 2024)

Rund 35% der Deutschen nutzen sie laut einer Umfrage von Bitkom, 70% sind darüber hinaus daran interessiert und 72% begrüßen eine medizinische Anwendung. Der Markt wächst: 2024 wurden laut Statista rund 5,84 Millionen Wearables abgesetzt. Damit eröffnen sich große Chancen für den Bereich Digital Health. 

Denn die Möglichkeiten für medizinische Anwendungen sind groß und ergänzen die fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitsbereich. Durch Netzwerke können Geräte untereinander Daten über das Internet (IoT, Internet of Things) austauschen und werden als Teilbereich in der Vernetzung medizinischer Geräte und Anwendungen als Internet of Medical Things (IoMT) bezeichnet. Dies ermöglicht, dass völlig neue Versorgungsmodelle in Klinik, Praxis und Forschung realisiert werden. Wearables können so beispielsweise mit Geräten in einem Krankenhaus verbunden werden und die Diagnose und Versorgung von Patient:innen zu einer völlig neuen Form der Medizin führen. Damit werden sich auch die Berufsbilder verändern. Während klassische Versorgungsbereiche entlastet werden, entstehen neue spezialisierte Berufe an der Schnittstelle zwischen IT, Pflege, Diagnostik und Datenanalyse. 

Gleichzeitig müssen die möglichen Risiken von Fehlern und Manipulation als Herausforderung im Gebrauch von digitalen Devices gut durchdacht werden. Beides soll hier erläutert werden. 

Vorteile und Anwendungen von Wearables in der Medizin 

Die Smartwatch ist sicherlich das bekannteste Wearable, weil es in der Consumer Technology sehr geläufig ist. Aber auch Ringe und intelligente Textilien werden beispielsweise im Fitness-Bereich vielfach angewandt. Die Medizin nutzt diese Anwendungen bereits in Praxis und Forschung und wurde um smarte Pflaster und biosensorische Patches erweitert. 

Aktuell gibt es also neben Smartwatches und Smartbands smarte Ringe, intelligente Textilien, in-ear-Sensoren, biosensorische Patches und smarte Pflaster, die nicht nur die Überwachung der Körperfunktionen von Patient:innen ermöglichen, sondern auch therapeutische Maßnahmen übermitteln können.

Auf der weltgrößten Medizinmesse Medica wurde 2024 ein eigener Stand mit Wearables & Smarte Technologien in der Medizin vorgestellt. 

(Abb.2: Smarte Wearables | Shop Apotheke E-Health)

Messung von Körperfunktionen

Diese tragbaren Computertechnologien können einerseits Körperfunktionen wie Blutzucker, Blutdruck oder Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung konstant überwachen. Damit werden Diagnosen unterstützt und Auffälligkeiten kommuniziert, indem die Daten über eine Cloud direkt auf das Handy der Patient:in oder dem behandelnden Arzt oder Ärztin gesendet werden. 

Monitoring von Patient:innen 

Bei der postoperativen Behandlung können Wearables außerdem die Rehabilitation unterstützen, indem sie die Vitalparameter der Patient:innen messen. Mit diesem Monitoring wird damit ein großer Schritt in Richtung der Remote Medizin durch Fernüberwachung (Remote Patient Monitoring) geleistet und das Gesundheitssystem elementar entlastet. 

Entlastung von Pflegefachkräften 

Krankenhausaufenthalte können daher mit Wearables zukünftig verkürzt und Pflegefachkräfte entlastet oder an anderen Stellen eingesetzt werden. Digital Health und Telehealth können durch Wearables weiter fortschreiten und so die Medizin personalisieren. 

Remote Work für Ärzt:innen ermöglichen 

Denn auch eine Interaktion mit Ärzt:innen ist möglich, ohne Patient:innen ambulant oder stationär behandeln zu müssen. Das ermöglicht den Mediziner:innen, ihre Arbeit auch örtlich unabhängig auszuführen und unterstützt das Konzept einer Remote Work im Gesundheitswesen.

Zuverlässige Medikation bei chronischen Krankheiten 

Außerdem können Patient:innen durch die konstanten Messungen darin unterstützt werden, ihre Medikation anzupassen. Gerade bei chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes kann die Überwachung stark vereinfacht und dadurch die Zuverlässigkeit verbessert werden. Dazu wird beispielsweise vom Bundesministerium geforscht, ob Wearables für Monitoring und Management von Long COVID (U-WaTCH) geeignet sind und wie. 

Daten für die Forschung

Schließlich liefern die Wearables Daten, die für die Forschung nützlich sind. Gerade weil Deutschland im internationalen Vergleich noch sehr zurückhaltend mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen vorangeschritten ist, sollte auch dieser Teil mitbedacht werden. In einigen Ländern werden Gesundheitsdaten schon länger der Forschung zur Verfügung gestellt, wie z.B. in Israel, Finnland oder Estland. Diese Länder erfassen bereits seit über 20 Jahren digitale Gesundheitsdaten oder nutzen eine elektronische Patientenakte. Sowohl technisch als auch rechtlich kann Deutschland von diesen und anderen Ländern auf dem Weg zu einer digitalen Gesundheitsversorgung viel lernen. 

Das führt zu dem kritischen Punkt der Sicherheit und des Datenschutzes beim medizinischen Gebrauch von Wearables. 

Herausforderungen der Integration von Wearables 

Datenschutz

Datenschutzbestimmungen wie die DSGVO in Europa regulieren bereits die Nutzung von Wearables. So müssen Daten verschlüsselt und zweckgebunden weitergegeben werden und es bedarf der Zustimmung des Patienten oder der Patientin. 

Gerade weil Deutschland noch nicht besonders weit fortgeschritten ist in der Digitalisierung des Gesundheitswesens, ist die Frage der Interoperabilität vor allem mit der Patientenakte (EPA) wichtig zu beantworten. 

Qualität der Daten 

Davon abgesehen ist es wichtig, “gute” Daten von den Geräten zu bekommen. Ärzt:innen und Pflegefachkräfte müssen also überwachen, welche Daten gesammelt werden. 

Haftbarkeit 

Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Haftbarkeit, beispielsweise im Falle einer Fehldiagnose. Die Interoperabilität von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) - also die Fähigkeit der Systeme, reibungslos miteinander zu kommunizieren - ist bislang begrenzt. Die Politik regelt aber bereits durch die Digitale Anwendungsverordnungen (DiGAV) die Anforderungen und Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen. 

Cybersicherheit

2023 wurde außerdem über die “Sicherheit von Wearables mit medizinischen Teilfunktionalitäten” (SiWamed) berichtet. Dieses Projekt wurde vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erschaffen, um die Cybersicherheit von Wearables in Hinblick auf die Übertragung sensibler Gesundheitsdaten zu untersuchen.  Dabei wurden 34 unterschiedliche Schwachstellen in 10 untersuchten Wearables gefunden, die insgesamt 116 mal auftauchen und überwiegend als “mittlere potentielle Schadenshöhe” klassifiziert wurden. Wie diese Grafik zeigt, ist jede Kategorie der Wearables davon gleichermaßen betroffen.

(Abb. 3 : Sicherheit von Wearables mit medizinischen Teilfunktionalitäten (SiWamed))

Die Vertraulichkeit und Integrität der Gesundheitsdaten ist demnach noch nicht gesichert. Das bedeutet, dass noch kein ausreichender Schutz gegen Manipulation oder ungewollte Weitergabe besteht. Unternehmen sollten sowohl in der Entwicklung als auch in der Anwendung ein besonderes Augenmerk darauf lenken. Denn gerade bei der Verknüpfung mit der digitalen Gesundheitsakte, die aktuell aktiviert wird, müssen technische Möglichkeiten implementiert und gleichzeitig deren Sicherheit gewährleistet werden. Ein Problem, wenn schon kurz nach Inkrafttreten berichtet wird:  "Hacker knacken auch den verbesserten Schutz der E-Patientenakte"

Auswirkungen von Wearables auf die Beschäftigungsstruktur in der Gesundheitsbranche

Mit den Themen der Datensicherheit und Datennutzung kommen also neue Herausforderungen auf das Gesundheitswesen und die Life Sciences Industrie zu. Außerdem müssen Daten gelesen und verarbeitet, ihre mögliche Interoperabilität kontrolliert und verwaltet werden. Dem folgend werden Berufe wichtig wie beispielsweise Digital Health Analyst (Gesundheitsdatenanalyst:in), der oder die Daten sammelt und interpretiert, Digital Health Consultant, der Unternehmen und Krankenhäuser in digitalen Gesundheitsanwendungen berät wie beispielsweise in der Digitalen Patientenhilfe. Außerdem Fachkräfte, die sich direkt mit den Wearables auseinandersetzen, sie implementieren, kontrollieren und Erfolge dokumentieren wie ein:e App-Manger:in. In der Telemedizin können außerdem alle Fachkräfte von Ärzt:innen über Pflegepersonal weitergebildet werden. In der Forschung und Entwicklung wird ein:e Digital Clinical Trial Manager:in und ein:e Datenschutz- und Ethikberater:in wichtig. 

Diese Berufe werden immer mehr in Ausbildung oder Weiterbildung angeboten und können auch für einen Branchenwechsel interessant sein. Um hier erfolgreich die passenden Kandidat:innen zu finden, bietet sich die Zusammenarbeit mit einer Personalberatung an. Sowohl in der Auswahl, als auch in der Interviewführung und Einstellung kann diese unterstützend helfen. 

Fazit 

Die Integration von medizinischen Wearable-Daten in die Betreuung der Patient:innen bietet enorme Chancen für die Gesundheitsversorgung. Wearables entlasten jetzt schon Ärzt:innen und Pflegepersonal bei der Diagnose und Rehabilitation von Patient:innen sowie bei der Prävention von Krankheiten. Je mehr die Digitalisierung ausgebaut und die Vernetzung durch IoMT voranschreitet, desto mehr Stellen könnten sogar ersetzt werden. Gleichzeitig entstehen neue Anforderungen an das Personal und mögliche neue Berufsbilder. 

Schließlich können Wearables auch die Arbeitsorganisation selbst optimieren, indem sie bei den Mitarbeitenden messen, in welchem "körperlichen und geistigen Zustand" sie sich befinden und demnach dynamisch im Arbeitsfeld rotieren können.

Für Unternehmen im Gesundheitswesen bedeutet es, sich flexibel an die Digitalisierung im Allgemeinen und den Gebrauch von Wearables im Besonderen anpassen zu müssen. Auch in der Life Sciences Industrie werden mit möglichen Daten zum Beispiel aus der elektronischen Patientenakte neue Möglichkeiten der Anwendung von Wearables und der Forschung und Entwicklung aufkommen.

Die Interoperabilität von Daten wird auch personell eine große Herausforderung spielen, um während dieser Transformation technisch, rechtlich und qualitativ gut aufgestellt zu sein. 

Es lohnt sich daher, mit einer Personalberatung die Kompetenzprofile zu definieren, Quereinsteiger:innen zu identifizieren, weiterzubilden oder digitale Schnittstellenpositionen zu besetzen. Beim Recruiting begleitet Sinceritas Ihr Unternehmen dabei sowohl organisatorisch als auch in der Planung.

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