November 17, 2023

Offene Unternehmensführung im Krankenhaus

Wie Mitarbeiter:innen sich die Zukunft der Krankenhausleitung wünschen.
Hannes Sommer
Founder & Managing Director Sinceritas Executive Search
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Mitarbeitende im Krankenhaus werden mehr denn je zu einem wertvollen und erhaltenswerten Gut. Die Krankenhäuser leiden sowohl unter dem demografischen Wandel, als auch unter Fachkräftemangel. Je weniger Beschäftigte aber Aufgaben übernehmen müssen, desto mehr steigt die Unzufriedenheit. Der Pflegemangel ist schon seit Jahren im Gespräch und die Überforderung von Mitarbeitenden auf unterbesetzten Stellen bekannt. Aber auch junge Ärzt:innen klagen über die Arbeitsbelastung laut einer Umfrage des Arbeitskreises Junge Ärzt:innen und Ärzte im Hartmannbund: 

Umfrage: Junge Ärztinnen und Ärzte verlieren Freude am Job 

Es gilt also nicht nur, neue Fachkräfte für Krankenhäuser zu gewinnen und die Stellen attraktiv zu gestalten. Ebenso essentiell ist es, die vorhandene Belegschaft zu binden. 

Dabei spielt der Führungsstil im Krankenhaus eine wichtige Rolle. In einer Umfrage von Sinceritas, die hier auszugsweise präsentiert wird, gaben die befragten Mitarbeitenden branchenübergreifend an, eine offene Unternehmensführung und eine transparente Kommunikation zu priorisieren.  

Das heißt, diese Art der Personalführung wird gewünscht und ist noch nicht ausreichend vorhanden. Es ist allerdings zeitgemäß und wird auch in Ausschreibungen für Chefärzt:innen als “kooperativer Führungsstil” erwähnt, wie in den Stellenanzeigen vom Klinikum Worms gesehen oder für Bewerber:innen angeboten.

Führungsstil im Krankenhaus

Ein offener oder kooperativer Führungsstil kann in Opposition zu einem autoritären (auch autokratischen) oder hierarchischen Führungsstil verstanden werden. 

Um es kurzzufassen, bestimmt eine Führungsperson im autoritären Führungsstil die Aufgaben, gibt Kritik von oben herab und legt die Arbeitszeiten je nach Lage auch kurzzeitig fest. Ein Mitspracherecht für Mitarbeitende ist nicht vorgesehen. 

Das kann von Vorteil sein, weil im Krankenhaus schnell Entscheidungen getroffen werden müssen und der Dienstplan laufend an fehlendes Personal und medizinische Notwendigkeiten angepasst werden muss. Mitarbeitende fühlen sich dadurch eventuell nicht allein gelassen und stehen auch nicht in der Verantwortung. (Eine Schwierigkeit des Laissze-Faire-Stils, der hier jedoch nicht weiter behandelt werden soll). 

Wie in der oben erwähnten Umfrage des Arbeitskreises Junge Ärztinnen und Ärzte im Hartmannbund sichtbar wird, ist es den Mitarbeitenden aber wichtig, eine “verlässliche Dienstplanung” und geregelte Arbeitszeiten zu haben. Außerdem wünschen sie einen “wertschätzenden Umgang” unter Kolleg:innen, weniger Bürokratie und eine “kluge Digitalisierung”. 

Darüber hinaus gilt es im Krankenhaus auch, fachbereichsübergreifend zu arbeiten. Mit einem autoritären Führungsstil, der eventuell Meinungen anderer Fachbereiche nicht zulässt, könnten wichtige Informationen verloren gehen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht in der Diagnose und der Pflege einen großen Zugewinn. 

Denn im Gegensatz zu dem autoritären Stil bezieht sich eine offene Unternehmensführung im Krankenhaus auf die Prinzipien der Transparenz, Kommunikation und Partizipation. 

Das steigert auch die Motivation der Mitarbeitenden und das Zugehörigkeitsgefühl zu dem Unternehmen. 

In einer mikrosoziologischen Untersuchung zur Führung im Krankenhaus aus dem Jahr 2018 kommt die Autorin sogar zu dem Schluss, dass der indifferente und autoritäre Führungsstil die Leistungseffektivität eines Krankenhauses schwächen kann. Sie untersucht “soziale Führungsstile”, die sich durch einen respektvollen Umgang miteinander auszeichnen. Diese führen im Ergebnis der Untersuchung nicht nur zu gesteigertem “gesundheitlichem Wohlbefinden” und einer stärkeren Bindung an das Unternehmen, sondern auch zu besseren Arbeitsleistungen. 

In dieser ausführlichen Untersuchung wird nur der medizinisch - pflegerische Bereich begutachtet. In der bereits erwähnten Umfrage von Sinceritas gaben sowohl die Ärzt:innen und Pflegepersonen als auch die Verwaltungsmitarbeitenden an, eine offene Unternehmensführung priorisieren zu wollen. 

Auffällig ist, dass letztere eine offene Unternehmensführung sogar am stärksten priorisiert haben wollen. Es lohnt sich also, einen Blick auf die unterschiedlichen Bedürfnisse in den Berufsgruppen zu werfen. 

Perspektive der Ärzt:innen 

Wie bereits oben erwähnt, wird eine Work-Life-Balance von jungen Ärzt:innen mittlerweile erwartet. Viele Benefits im Krankenhaus versprechen daher auch eine freie Terminplanung. 

Der offenere Umgang mit der Leitung oder mit Vorgesetzten im Krankenhaus ist aber ein Wunsch, der gewohnte Hierarchien aufbrechen muss. Entscheidungen sollten nicht mehr alleine von dem oder der Ärzt:in in der höchsten Hierarchie-Stufe getroffen werden. 

“Ein transparentes Arbeiten im Team steigert die Mitarbeiterzufriedenheit und damit die Attraktivität des Arbeitgebers für neue Mitarbeiter.”, folgert auch das Magazin praktischArzt.

Zufriedene Mitarbeiter:innen werden auch Patient:innen geduldiger und ausgeglichener begegnen. Mehr noch wird ein transparentes Umgehen mit Informationen auch für Patient:innen hilfreich sein. 

Für die Kommunikation von Ärzt:innen mit dem Pflegepersonal gilt ebenfalls, dass eine hierarchische, autoritäre Kommunikation demotivierend sein kann. 

Perspektive der Pflege

Dabei geht es in der Pflege nicht nur um die Kommunikation mit den Ärzt:innen, sondern auch um die mit der pflegerischen Leitung. In beiden Fällen kann ein offener Führungsstil zu mehr Vertrauen führen. Damit einher geht das Gefühl, nicht alleine gelassen zu sein im aktuellen Fachkräftemangel in der Pflege. Wird offener kommuniziert, welche Schwierigkeiten vorhanden sind, kann die Motivation und damit auch die Bindung an das Haus gestärkt werden. Dazu auch: Dos and Don’ts in der Personalkommunikation | Sinceritas

Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2022 kam zu dem Schluss, dass bis zu 300.000 Pflegekräfte durch Wiedereinstieg oder aufgestockte Arbeit gewonnen werden könnten, “... - sofern sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich verbessern.” 

Das betrifft neben der Höhe des Gehaltes ebenso “verbindliche Dienstpläne” und eine bessere “Personalbemessung”. Ein weiterer Punkt ist schließlich “ein wertschätzender und respektvoller Umgang von Vorgesetzten, Kollegialität, sowie Augenhöhe gegenüber der Ärzteschaft.” 

Die Beziehung zu Vorgesetzten und vor allem zur Ärzteschaft ist ein wiederkehrendes Thema für Pflegefachkräfte. Ein interessanter Artikel zu Ärzte und Pflegekräfte: Ein chronischer Konflikt erzählt von Fallbeispielen und kommt zu dem Schluss, dass gute, transparente Kommunikation ein Weg ist, um diesen Konflikt zu lösen. 

Denn schließlich geht es im Krankenhaus darum, die Versorgung der Patient:innen sicherzustellen und zu optimieren. Transparenz und Partizipation ermöglichen es den Ärzt:innen und Pflegekräften, besser zu kommunizieren und gemeinsam daran zu arbeiten.

Ein Krankenhaus kann seinen Mitarbeitenden auch Kurse anbieten, die eine gelungene Kommunikation vermitteln, wie am Beispiel von Weiterbildungen des Klinikums Stuttgart zu sehen ist. 

Aber auch Verwaltungsmitarbeitende tragen die Anforderungen des Krankenhausalltags und die Stellen sind unterbesetzt. 

Perspektive der Verwaltung 

Bei der Kommunikation mit Verwaltungsmitarbeitenden kann die Digitalisierung eine Rolle spielen, indem sie dezentrale Entscheidungen unterstützt und damit die Entscheidungskompetenz und das Mitspracherecht von allen Mitarbeitenden stärkt. Generell können mit digitalen Tools Informationen leichter geteilt und Entscheidungen auf verschiedenen Hierarchieebenen getroffen werden. Natürlich muss der Schutz sensibler Daten gewährleistet sein und vertrauliche Informationen gesichert werden. 

Einige Mitarbeitende könnten sich auch gegen Veränderungen sträuben. Diese für die Veränderung zu gewinnen und so das gesamte Haus in eine neue Kommunikation zu führen, sollte deshalb zu der Aufgabe eines solchen Strukturwandels gehören. 

Die Umsetzung von offener Unternehmensführung erfordert außerdem zusätzliche Ressourcen für Schulungen, Technologie und Kommunikation.

Für die Verwaltung könnte es aber eine große Erleichterung und Effizienzsteigerung bedeuten. 

Handlungsempfehlungen 

Da sich der Wunsch nach einer offenen Unternehmensführung durch alle Sparten im Krankenhaus zieht, ist es sinnvoll, auch alle bei einer Veränderung einzubeziehen. Eine erste Bestandsaufnahme durch beispielsweise eine Umfrage bei allen Beschäftigten könnte ein erster Schritt sein. Workshops zu einer bottom-up Kommunikation (im Gegensatz zu top down) sind für Leitungspositionen zu empfehlen. Schließlich sollten Mitarbeitende aus allen Bereichen und allen Ebenen der Hierarchie Vorschläge einbringen können und am besten miteinander diskutieren können. Das erfordert personelle, zeitliche und finanzielle Ressourcen. Daher könnte es sinnvoll sein, diese neuen Kommunikationsstrukturen mit einer Digitalisierung zu verknüpfen. Denn die Kommunikationswege im Krankenhaus müssen immer an den zeitlichen und personellen Druck angepasst werden wie auch hier beschrieben. 

Schon mit einzelnen Maßnahmen beispielsweise auf der Webseite kann eine neue Unternehmensführung aber zum Leitbild eines Krankenhauses werden und wird in einem ersten Schritt die Mitarbeitenden erreichen. Dabei ist es aber elementar, dass die Führungskräfte diese neue Art der Führung und Kommunikation vorleben und aktiv vorantreiben. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der gewünschte Effekt nicht eintritt und das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Unternehmensführung nachhaltig beschädigt wird.

Fazit

Denn eine offene Unternehmensführung im Gegensatz zu einer autoritären ist von Mitarbeitenden im Krankenhaus gewünscht. Arbeitskräfte können damit also verstärkt gebunden und neue Mitarbeitende rekrutiert werden. 

Krankenhäuser nähern sich dem auch schon an. Beispielsweise unter dem Titel einer Nachhaltigkeit, die nicht nur ökologische, sondern auch soziale Aspekte umfasst. Zum Beispiel: Governance: Nachhaltigkeit - Charité – Universitätsmedizin Berlin. Oder durch eine breit gefasste Definition von Compliance wie im Theresienkrankenhaus

Theoretisch sind Krankenhäuser also offen für eine neue Form der Unternehmensführung  und es gilt, sie auch umzusetzen. Dafür braucht es Ressourcen, Weiterbildungen und die Bereitschaft aller Beschäftigten.  Denn eine  offene Unternehmensführung fordert Kommunikation auf Augenhöhe, die Partizipation der Mitarbeitenden und eine transparente Entscheidungsfindung. Damit kann die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert werden, weil Mitarbeitende zufriedener sind und auch weil mehr Wissen gebündelt werden kann. 

Eine offene Unternehmensführung lässt sich nicht unbedingt in Kennzahlen messen, kann aber durchaus auch zu einer Leistungssteigerung führen. Verbunden mit einer “klugen Digitalisierung” könnten so auch Schwierigkeiten des Personalmangels und der demografischen Zunahme von älteren Patient:innen abgeschwächt werden. 

Es gibt Herausforderungen, die dafür überwunden werden müssen, aber es ist eine Investition in die Zukunft der Gesundheitsversorgung. 

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