Führungskräfte im Krankenhaus: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Führungskräfte im Krankenhaus stehen in einem Spannungsfeld zwischen medizinischer Expertise und wirtschaftlicher Effizienz. Mehr über diese Herausforderung lesen Sie in folgendem Artikel.

Hannes Sommer
Hannes Sommer
Founder & Managing Director Sinceritas Executive Search

Führungskräfte im Krankenhaus stehen in einem Spannungsfeld zwischen medizinischer Expertise und wirtschaftlicher Effizienz. Ihr Handeln beeinflusst die Qualität und Zuverlässigkeit der Versorgung von Patient:innen und muss gleichzeitig finanziell rentabel bleiben. Gerade durch den gravierenden Personalmangel, die fortschreitende Komplexität und Digitalisierung der Abläufe steigen die Ansprüche an Führungskräfte. Dabei gilt das für einen Krankenhausdirektor genauso wie für führende Ärzt:innen in den jeweiligen Kliniken. 

Denn die Klarheit der beruflichen Ausbildung, die jahrelange praktische Weiterbildung und die daraus resultierende Logik der Hierarchie im Krankenhaus, führen dennoch zu Engpässen in der Mitarbeiterschaft. Nicht nur in der Pflege, sondern auch in den höchsten Etagen der Ärzteschaft gibt es einen Personalmangel, der die Gesundheitsversorgung zunehmend gefährdet. 

Die Maßnahmen, die ergriffen werden, um dem entgegenzuwirken, verändern aber auch hierarchische Strukturen und Arbeitsweisen. Gleichzeitig ist die Digitalisierung eine große Chance, um Arbeitskräfte zu entlasten und gleichzeitig auf einem hohen medizinischen Niveau zu bleiben. Denn letztlich ist das deutsche Gesundheitssystem weltweit führend. 

(Weiblicher) Fachkräftemangel im Krankenhaus 

Der Personalmangel stellt eine der größten Herausforderungen dar, denen Führungskräfte begegnen. Das betrifft die Pflege genauso wie die Ärzteschaft. Beide beklagen die große körperliche Belastung des Berufes wie PwC beschreibt. 
Auch Chefärzt:innen fehlen zunehmend. Umso dringlicher ist es, auch Frauen in diese Position zu führen, denn bisher sind nur 10 % der Posten mit Frauen besetzt, obwohl durchschnittlich mehr Frauen Medizin studieren. Und obwohl allgemein im deutschen Gesundheitswesen überdurchschnittlich viele Frauen in Führungspositionen vertreten sind. Damit ist Deutschland international zwar immer noch nicht auf vorderer Position, es zeigt sich im Gesundheitswesen nur ein Wandel im Gegensatz zu anderen Branchen. 

Ein Wandel, den die Politik mit einer Initiative und einem Mentoringprogramm für Krankenhäuser unterstützt hat. Exemplarisch wurden an mehreren Kliniken weibliche Mentees mit erfahrenen Führungspersönlichkeiten darin unterstützt, eine Nachhaltige Verankerung gleichstellungsorientierter Organisations- und Personalentwicklungsstrukturen in Krankenhäusern zu entwickeln. Themen waren unter anderem Gleichstellungsfragen und Arbeitszeitgestaltung. 
Denn je höher die Position in der Hierarchie im Krankenhaus ist, desto größer ist auch der verwaltungstechnische Aufwand. Viele Ärzt:innen wollen den Kontakt zu den Patient:innen aber gar nicht missen. Außerdem wird es für die jüngeren Generationen immer wichtiger, eine gute Work-Life-Balance  haben zu können. 

Die Krankenhäuser selbst schlagen daher auch ungewöhnliche Wege ein. Weil sich zu wenig Frauen auf die ausgeschriebenen Stellen für Chefärzt:innen bewerben, gibt es mittlerweile Kliniken, in denen eine Stelle auf zwei oder auch drei Chefärzt:innen aufgeteilt wird (wie seit 2021 in Hamburg). Andere sehen sich vielleicht schon früher für eine Führungsposition geeignet. Ein Studiengang der Universität der Bundeswehr Hamburg hat eigens einen Masterstudiengang zum Thema Führung in der Medizin eingerichtet. 

Einerseits gilt es also strukturell, andere Bedingungen für mögliche Führungskräfte zu schaffen. Innerhalb eines Krankenhauses ist es aber auch die Herausforderung der Führungskräfte, in unsicheren Zeiten die Mitarbeitenden zu motivieren. 

Denn auch die Gesundheitsbranche muss in einer VUCA und BANI Welt zurechtkommen. Diese Akronyme beschreiben Parameter in der westlichen Welt, die als volatil, ungewiss, komplex und ambigue beschrieben wird. Oder zunehmen brittle (brüchig), anxious (ängstlich), non-linear und incomprehensibel (unverständlich). Die Verunsicherung, die diese “volatilen” und “brüchigen” Verhältnisse bei den Mitarbeitenden auslösen, sollte zumindest ansatzweise aufgefangen werden. 
Der Führungsstil selbst steht also zur Debatte, um Personal weiterhin an ein Krankenhaus zu binden und auch für suchende Kandidat:innen attraktiv zu sein. 

Moderne Personalführung

Das, was als passend dafür angesehen wird, muss in Zeiten hoher Volatilität und Unsicherheit immer wieder neu entschieden werden. Genauso, welche Strategien zum Tragen kommen, um auch jüngere Generationen zu erreichen. Weiterbildungen zu aktuellen Themen sind daher für die Führungsebene gewinnbringend . 

In einem Interview mit dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY - Deutschland sprechen die Manager Dr. Thomas Wolfram und Rebekka Reckel über die Schwierigkeiten für Führungskräfte im Krankenhaus und befürworten ebenfalls ein Coaching - Programm. Ihr Fazit für eine gelungene Personalpolitik, das sie “gebetsmühlenartig” wiederholen ist: Ehrlichkeit. Transparenz. Verbindlichkeit.
Dies wird von einem autoritären Führungsstil eher weniger unterstützt. Wenn sich Führungskräfte im Krankenhaus mit einer offenen Unternehmensführung beschäftigen, können wahrscheinlich Mitarbeitende gebunden werden oder neue Kandidat:innen davon angezogen werden, wie auch hier beschrieben. 

Auch in dem Springer Krankenhausreport 2023 wird von einer “transformationalen Führung” gesprochen, um dem Pflegenotstand zu begegnen. Diese Art der Führung besteht demnach aus vier Säulen: 
Idealisierte Einflussnahme, Inspirierende Motivation, Intellektuelle Stimulierung, Individualisierte Berücksichtigung. 
Die Studie verlinkt weiterhin mehrere Untersuchungen, die die positive Wirkung einer solchen Art der Führung dokumentieren. 

Finanzieller Notstand im Krankenhaus

Neben dem Personalmangel sind die finanziellen Engpässe die nächste große Herausforderung, die Führungskräfte im Krankenhaus bewältigen müssen. Auch wenn die Politik versucht, mit einer noch ausbleibenden Krankenhausreform dagegen zu steuern, drohen immer mehr Kliniken die Schließung.
Daher brauchen Führungskräfte im Krankenhaus immer auch ein sicheres betriebswirtschaftliches Geschick. Unvorhersehbare Pandemien, Energieengpässe oder eine steigende Inflation setzen den Krankenhäusern auch zu und müssen reguliert und kommuniziert werden. Genauso wie hierbei die Mitarbeitenden mit Transparenz behandelt werden sollen, können die Führungskräfte auf Unterstützung hoffen. Denn wenn die Kommunikation offen ist, können im besten Fall gemeinsame Lösungen geschaffen werden. Das könnte den Druck einer Führungskraft, alles alleine entscheiden zu müssen, etwas lindern. 
Auch, um die Versorgung allen Patient:innen gleichermaßen zur Verfügung stellen zu können, braucht es Führungskräfte, die effektiv planen und auf mögliche Unwägbarkeiten schnell reagieren können und gleichzeitig mit der Belegschaft zusammenarbeiten. Denn zwischen Fallpauschalen, hohen Energiekosten, steigenden Lohnkosten und Personalmangel muss letztlich das Patientenwohl immer gewährleistet bleiben. 

Zukünftige Herausforderungen und Chancen

Die Zukunft der Führung im Krankenhaus wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, darunter technologische Entwicklungen, demografische Veränderungen, politische Entscheidungen und gesellschaftliche Trends. 

Darüber hinaus bietet die zunehmende Digitalisierung des Gesundheitswesens sowohl Herausforderungen als auch Chancen für Führungskräfte im Krankenhaus. Die Integration von Technologie in klinische Abläufe kann die Effizienz steigern und die Patientenversorgung verbessern. Damit kann sie auch den Fachkräftemangel reduzieren. KI  stellt jedoch auch neue Anforderungen an die Führungskräfte. 

Zunächst müssen wiederum Mitarbeitende gefunden und gebunden werden. IT-Fachkräfte werden deutschlandweit gesucht und IT-Expert:innen passen nicht unbedingt in den Krankenhausalltag. Es werden also Menschen benötigt, die an der Schnittstelle zwischen Technik und Medizin arbeiten können oder einen ähnlichen Studiengang besucht haben. 

Weiterhin muss sichergestellt sein, dass die Technologie sinnvoll eingesetzt wird und die Datenschutz- und Sicherheitsstandards eingehalten werden. Die Bedenken von Mitarbeitenden und Patient:innen sind hoch, denn es gibt immer einen Teil der Resultate der KI, die nicht mehr verständlich ist. Außerdem muss sichergestellt sein, dass die Daten in hoher Qualität sind. In einer Welt von VUCA und BANI fällt die Aufgabe Führungskräften im Krankenhaus zu, sowohl die Infrastruktur für digitale Anwendungen und KI zu ermöglichen, als auch ihren Gebrauch so zu kommunizieren, dass Vertrauen hergestellt wird. 

Fazit

Die Erwartungen an Führungskräfte im Krankenhaus sind also vielfältig und anspruchsvoll. Sie sollen nicht nur die klinischen Abläufe effizient koordinieren, sondern auch sicherstellen, dass die Patientenversorgung von höchster Qualität ist. Darüber hinaus müssen sie ein positives Arbeitsumfeld schaffen, das Mitarbeitermotivation und -engagement fördert, und gleichzeitig die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und Richtlinien sicherstellt. Diese Anforderungen sind oft mit ethischen Dilemmata und komplexen organisatorischen Herausforderungen verbunden.

Da ein Krankenhaus personalintensiv ist, muss auf Stimmungen genauso wie veränderte Arbeitsvorstellungen jüngerer Generationen eingegangen werden. Führungskräfte benötigen also eine kluge Personalpolitik. Dazu gehören kommunikative Fähigkeiten, Konfliktmanagement, strategische Planung, ethische Entscheidungsfindung und Teammanagement. 

Durch die Entwicklung von Führungskompetenzen, kontinuierliche Führungsentwicklung und die Fähigkeit, sich den wandelnden Anforderungen anzupassen, können Führungskräfte im Krankenhaus jedoch effektive Führungspersönlichkeiten sein und einen positiven Einfluss auf die Patientenversorgung und die Mitarbeiterzufriedenheit haben.
Die Selbstentwicklung der Führungskräfte und die Offenheit für Feedback und Kritik aus den unteren Hierarchie-Ebenen ist dabei hilfreich für eine moderne Führungspersönlichkeit. 
Dies kann im Umkehrschluss auch als große Unterstützung für die Leitungsebene gesehen werden, um letztlich das Prestige eines Hauses und die medizinische Versorgung zu sichern.