Die Bevölkerungspyramide verschiebt sich in Deutschland seit Jahren in eine besorgniserregende Form:

War sie Ende der 90er Jahre (auf der Grafik in rot) noch einer Pyramide ähnlich, wirkt sie 2022 eher wie ein Baum, der keine starken Wurzeln mehr hat. Denn die Bevölkerung wird durch die gestiegene Lebenserwartung immer älter (jede fünfte Person ist laut Statistischem Bundesamt über 66 Jahre alt) und die Geburtenzahlen steigen dementsprechend zu wenig an. Im Juli 2025 vermeldet das Statistische Bundesamt erneut, dass die Geburtenrate sinkt.
Dies stellt das Gesundheitssystem vor Herausforderungen: Weil die geburtenstarken Boomer in absehbarer Zeit in Rente gehen, wird die Anzahl der zu pflegenden Personen steigen, während ihre Personalstellen frei werden. Durch das Umlageverfahren stützt sich in der sozialen Pflegeversicherung die Pflege in einer alternden Gesellschaft im Gegensatz zur privaten Pflegeversicherung auf die Beiträge der jüngeren Generation. Dadurch entsteht eine Finanzierungslücke, die bei privaten Krankenversicherern nicht auftritt, da diese kapitalgedeckt finanziert sind. In beiden Fällen trifft der Mangel an Fachkräften die Pflegeeinrichtungen stark.
Fachkräftemangel
Dieser Mangel wird sich laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bis 2028 auf bis zu 768.000 fehlende Fachkräfte zuspitzen. Die Gemeinschaftsstudie von WifOR und PwC geht sogar von bis zu 4 Millionen bis zum Jahr 2030 aus.
Hauptursache ist der demografische Wandel, der alle Branchen dazu zwingt, nachhaltige Strategien und Lösungsansätze zu entwickeln.
Internationale Fachkräfte
Eine Lösung, die die sinkenden Geburtenzahlen in Deutschland zumindest bremst, ist die Zuwanderung. Die Bertelsmannstiftung spricht sogar von einer tragenden Säule. Pflegeeinrichtungen haben bereits darauf reagiert und suchen international nach Fachkräften. Da die Politik die Anwerbung mit internationalen Abkommen unterstützt, kommt mittlerweile fast jede vierte Altenpflegekraft aus dem Ausland und zwar überwiegend aus dem Nicht-Europäischen.
Integration von internationalen Fachkräften
Diese zu integrieren ist eine sehr komplexe Aufgabe und sollte mit einem Integrationsmanagement-Konzept begleitet werden, wie das Deutsche Kompetenzzentrum für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen (DKF) beschreibt.
Folgende Punkte sollten Unternehmen demnach beachten:
- den Bewerbungsprozess fair und transparent gestalten
- ein betriebliches Integrationsmanagement etablieren und Mitarbeitende einbinden
- Vorbereitung der Ankunft mit Visa, Verträgen, Sprachvoraussetzungen und interkultureller Vorbereitung
- Onboarding mit Kontaktpersonen und nachhaltiger Integration
Sehr ausführlich wird das Thema durch das Pflegenetzwerk Deutschland thematisiert und zeigt, wie wichtig ein durchdachter Umgang mit den internationalen Fachkräften ist.
Komplikationen für internationale Fachkräfte
Denn es zeigt sich, dass viele Fachkräfte unter Rassismus im Gesundheitswesen und herablassendem Verhalten sowohl der Patient:innen als auch der Vorgesetzten leiden.
Hier hilft es, einen Ansprechpartner im Unternehmen zu etablieren und eine interkulturelle Vorbereitung schon vor Arbeitsbeginn anzubieten, um Schwierigkeiten zu vermeiden. Außerdem lassen sich sprachliche Hürden durch Apps mit Sprachfunktion und Simultanübersetzung unterstützen.
Digitalisierung
Digitale Anwendungen können Pflegefachkräfte auch in vielen anderen Bereichen unterstützen.
- digitale Dokumentationssysteme können bis zu einer Stunde pro Schicht an Dokumentationspflicht einsparen
- elektronische Medikationsdienste können in der Kombination mit Telemedizin Routineaufgaben übernehmen
- Wearables können die Messung der Vitalfunktion bei Patient:innen zukünftig übernehmen
- Roboter werden bereits eingesetzt oder erforscht, um Service, Überwachung und soziale Interaktion wahrzunehmen
Eine ausgereifte Digitalisierung mit entsprechend implementierten Anwendungen entlastet Pflegefachkräfte. Grundlage hierfür sind allerdings ein flächendeckendes Internet und die entsprechend aus- oder weitergebildeten Fachkräfte.
Weiterbildung und neue Berufsfelder
Um die Belegschaft auf die Veränderungen mit der Digitalisierung gut zu begleiten, sind Angebote für Weiterbildungen unerlässlich. Auch neue Berufsfelder durch digitale Anwendungen, wie wir hier beschrieben haben, sollten in die bestehende Belegschaft integriert werden. Mit einer offenen Kommunikation und Transparenz kann so die Arbeitsatmosphäre sowohl für zukünftige als auch für bestehende Mitarbeitende attraktiver werden.
Verbesserung der Arbeitsbedingungen
Denn die Arbeitsbedingungen sind in der Pflege nach wie vor herausfordernd bis schlecht.
- Eine Work-Life-Balance ist inzwischen nicht nur für die Generation Z ein wichtiger Maßstab und sollte von Unternehmen berücksichtigt werden.
- Die 4-Tage-Woche kann auch in Pflegeeinrichtungen eingeführt werden.
- Der Ausbau von Kinderbetreuung und anderen Benefits verbessert die Arbeitsbedingungen.
- Die Kompetenzen des Pflegepersonals können durch Weiterbildungsmaßnahmen und Integration der Akademisierung unterstützt werden und erhöhen die Wertschätzung ihrer Arbeit signifikant
Personalplanung und interdisziplinäre Zusammenarbeit
Letzterer Punkt ermöglicht auch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen und höher gestellten Hierarchien auf Augenhöhe. Wird Pflegekräften größere Wertschätzung und mehr Urteilsvermögen zugestanden, erhöht das nicht nur die Attraktivität ihres Berufs, sondern verbessert zugleich die Behandlungsqualität. Hiermit kann also Zeit und Personal gespart werden. Damit das Personal an Weiterbildungen teilnehmen kann, ist ein Dienstplan erforderlich, der sowohl flexibel als auch auf die jeweilige Lebenssituation abgestimmt ist. Die lebensphasengerechte Personalentwicklung betrifft auch persönliche lebensverändernde Umstände wie den Verlust eines Angehörigen oder die Geburt eines Kindes. Die Fähigkeit, hier flexibel zu reagieren, trägt maßgeblich zur Wertschätzung der Mitarbeitenden und zur Attraktivität des Unternehmens bei.
Der verstärkte Einsatz von Leiharbeitskräften sollte hingegen deutlich reduziert werden. Im Vergleich zur festen Belegschaft verfügen Zeitarbeitskräfte häufig über höhere Stundenlöhne und attraktivere Arbeitszeiten – ein Umstand, der zu Ungleichgewichten im Team führt. Darüber hinaus fehlt ihnen in der Regel die notwendige Vertrautheit mit den Patient:innen sowie mit den Abläufen im Haus, was ihre Reaktionsfähigkeit im Alltag einschränkt. Der Versuch, Personalengpässe auf diese Weise zu überbrücken, führt daher nicht selten zu einem ineffizienten Einsatz von Zeit und Ressourcen.
Rekrutierung und Bindung von Personal
Wie die Personalplanung unter diesen Umständen gelingt, kann eine erfahrene Personalberatung individuell und professionell aufzeigen. Um angehende Pflegekräfte zu rekrutieren bieten sich gerade für die Digital Natives der Generation Z auch digitale Recruiting-Kanäle an und können mit Active Sourcing unterstützt werden.
Fazit
Der demographische Wandel stellt die Pflegebranche in Deutschland vor eine doppelte Herausforderung: Die Zahl der Pflegebedürftigen nimmt kontinuierlich zu, während gleichzeitig viele erfahrene Fachkräfte in den Ruhestand treten – und der Nachwuchs nicht im gleichen Maß nachrückt.
Um diesem Pflegenotstand zu begegnen, bieten sich mehrere Möglichkeiten. Allen voran werden internationale Fachkräfte vermehrt angeworben und eingestellt. Die damit verbundenen Herausforderungen, etwa sprachliche, kulturelle oder rechtliche Hürden, können mit gezielten Integrations- und Qualifizierungsmaßnahmen abgefangen werden. Auch hier unterstützt die voranschreitende Digitalisierung, die mehrere wertvolle Anwendungen für die Integration und den Pflegealltag bereithält. Die vielfältigen Anwendungen sollten jedoch immer mit Bedacht auf Datenschutzbestimmungen und die Würde der Patient:innen angewendet werden. Durch Weiterbildungen und neue Berufsfelder lassen sich Prozesse effizienter gestalten und wertvolle Zeitgewinne erzielen.
Darüber hinaus müssen die Arbeitsbedingungen spürbar verbessert werden, um das bestehende Personal zu halten und neue Fachkräfte zu gewinnen.
Eine professionelle Personalberatung kann in diesem Prozess entscheidend unterstützen. Sie hilft dabei, individuelle Lösungen zu entwickeln, die die Pflegeeinrichtung als attraktiven und zukunftsfähigen Arbeitgeber zu positionieren.